Bereits Ende der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts waren sie am Strand unterwegs: die Segelwagen, deren Fahrer die weitläufigen Sandbänke vor St. Peter-Ording erkundeten. Nachdem der zweite Weltkrieg überstanden war, kam die Familie Wieben – alt eingesessen im Ort – auf eine fabelhafte Idee. Wie wäre es, wenn man die Touristen, die St. Peter-Ording zahlreich besuchten, in großen Segelwagen über die Sandbänke kutschierte? Schließlich gestaltete sich das Segeln auf dem Wasser im Wattengebiet einigermaßen schwierig – selbst für erfahrene Ortskundige. Da könnte doch das Fahren im Segelwagen eine schöne Alternative sein … War es und lukrativ obendrein.
Familienvater Otto Wieben, seine beiden Söhne Horst und Bruno und ihr Cousin Claus-Werner hatten alsbald eine Menge Gäste in ihrem Segelwagen. Sollte sich einer unter ihnen über das für die meisten doch recht ungewöhnliche Fortbewegungsmittel erkundigen, bekam er von den Wiebens zu Antwort: »Bei uns ist so oft Ebbe und da haben wir so viel Strand frei, dass es sich nicht lohnt mit Booten zu segeln. Deshalb segeln wir halt auf dem Strand«. Vollkommen einleuchtend …
Es lag auch nur allzu nahe, Segelwagen außer zum Touristenransport zu sportlichen Zwecken zu nutzen. In rasanten Rennen über die Sandbänke … Eine weitere Initiative der Gebrüder Wieben. Sie bauten die ersten Sportsegelwagen, die unter der so genannten Arche Noah ihren Platz bekamen. Die Arche, ein großer Pfahlbau, hat St. Peter-Ording ebenfalls Horst Wieben zu verdanken.
Zugleich mit wirtschaftlichem Aufschwung und zunehmendem Wohlstand wuchs das allgemeine Interesse an sportlichen Freizeitaktivitäten. Deshalb regte der Kurdirektor von St. Peter-Ording, Friedrich Gerlach, Ende der fünfziger Jahre an, die Strandsegler zur Attraktion seiner Gemeinde zu machen. Dabei blieb es allerdings nicht. Das sportliche Geschehen draußen auf den Sandbänken sollte einheitlich geregelt und organisiert werden – in einem eigenen Verein.
Im Cafe Glück im Winkel kamen sie am 7. April 1961 auf Einladung der Kurverwaltung zusammen: 13 Herren an der Zahl, darunter natürlich auch die Gebrüder Horst und Bruno Wieben. Gegen acht Uhr Abends hatten sich schließlich alle einstimmig für die Gründung eines Segelvereins ausgesprochen. Dieser sollte von den beiden Gemeinden St. Peter und Ording getragen werden und den Namen »Yachtclub St. Peter-Ording« erhalten. Damit hatte die Geburtsstunde des YCSPO geschlagen.
Nachdem die Vereinssatzung feststand, wurde der YCSPO ins Vereinsregister beim zuständigen Amtsgericht Tönning eingetragen. Der Vorstand konstituierte sich aus sechs Mitgliedern, darunter auch die Gebrüder Wieben.
Nun galt es einen Platz zu finden, auf den die künftigen Vereinsmitglieder ihre Yachten stellen konnten. Der Deichgraf half hier schnell weiter: Er stellte auf seinem Grund am Ende des Strandwegs ein ausreichend großes Areal zur Verfügung. Hier, am Rande der Dünen, wurde nun der Yachthafen samt Takelplatz eingerichtet. Damit waren auch die logistischen Vorraussetzungen geschaffen, um Wettbewerbe auszurichten. Sie ließen nicht lange auf sich warten …
Segelwagen von der deutschen Nordseeküste? Genau das präsentierte die Weltausstellung in Brüssel im Jahr 1958 ihren Besuchern. Die Fotos von Segelwagen aus St. Peter-Ording weckten die Neugierde belgischer Strandsegler. Bei ihren Nachforschungen trafen sie auf die Gebrüder Wieben – im doppelten Wortsinn. Bei einem ersten Treffen in De Panne an der Küste Belgiens entstand die Idee, gemeinsame Wettbewerbe im Strandsegeln auszutragen.
Geplant, getan: Bereits vom 13. bis 17. September 1961 fand in St. Peter-Ording die erste internationale Segelwoche mit 18 Teilnehmern statt. Zwei von ihnen kamen aus Frankreich und drei aus Belgien. Stifter des ersten Preises war kein Geringerer als der Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein. Weitere Preise wurden von der deutschen Lufthansa und dem Kreis Eiderstedt gestiftet.
Die Segelwoche fand große Beachtung. Zwei halbstündige Rundfunkreportagen, mehrere Fernsehsendungen, eine Wochenschaureportage und ein in Millionenauflage erschienener Bildbericht in einer großen deutschen Rundfunk- und Fernsehzeitschrift widmeten sich ihr. Eine beachtliche Resonanz – die Idee des Kurdirektors Gerlach hatte reiche Früchte getragen.
Angespornt vom Erfolg der ersten Segelwoche fasste man eine Europameisterschaft ins Auge. 1963 war es so weit: Die erste Europameisterschaft im Strandsegeln wurde in St. Peter-Ording ausgetragen. Ab dann fanden jedes Jahr Europameisterschaften statt. Da es zu diesem Zeitpunkt nur vier große Nationen im Strandsegelsport gab, waren die Deutschen bereits 1967 erneut Gastgeber der Europameisterschaft. Der Yachtclub St. Peter-Ording war mithin international bestens anerkannt.
Der YCSPO sprach sich rum. Und wie: Die Zahl der Mitglieder stieg und stieg. Inzwischen keineswegs mehr vorwiegend aus norddeutschen Regionen, sondern aus der gesamten Bundesrepublik. Der Club wurde jedoch nicht nur stetig größer, sondern auch bedeutsamer. Seine Segler standen – und tun das bis heute – auf den vordersten Plätzen der internationalen Regattaszene.
Erfolg zieht an … Der Club wurde so groß, dass nicht mehr ausreichend Platz im Yachthafen zur Verfügung stand. Auf Grund dessen entschied sich der Vorstand schließlich für einen Aufnahmestopp – zum allseits großen Bedauern. Bereits nach einem Jahr besann man sich, auch im Hinblick auf die Zukunft des Clubs, und nahm wieder Neuzugänge auf.
Kein Club ohne Clubhaus. Das fand man auch im YCSPO. Schließlich will man sich bei einem Glas oder zwei zusammensetzen. Fachsimpeln über Technik und Wettkampf, austauschen über die Strandsegelwelt und natürlich, sich gegenseitig näher kennen lernen und Gemeinschaft pflegen. Also musste ein Dach über den Kopf des YCSPO her. Die Planungen dazu gab es bereits 1967, doch mit deren praktischen Umsetzung dauerte es noch seine Zeit.
Erst 1974 waren die Planung und Genehmigungen für das Clubhaus abgeschlossen. Im Jahre 1975 wurde es dann unter Leitung des Clubmitglieds Dipl. Ing. Werner Junge auf alten Strompfählen der Schleswag errichtet: Ein Holzfertigbau, der ansonsten von einer Husumer Firma nach Tunesien und Marokko geliefert wurde. Entsprechend schnell war das Clubhaus dann auch fertig. Im Sommer 1975 konnte es eröffnet werden.
Anlass für eine weitere Veranstaltung historischen Ausmaßes: Die erste Austragung einer Weltmeisterschaft im Strandsegeln. Der Yachtclub St. Peter-Ording hatte erneut die Ehre, diese Meisterschaft als erster Verein zu organisieren.
So steht es in der Satzung des YCSPO geschrieben und so wird es auch schon lange praktiziert. Nicht umsonst lagen Anfang der siebziger Jahre auf einmal Surfbretter auf der Sandbank vor dem Yachthafengelände. Obwohl die Wellen hier gar nicht dafür ausreichen. Hmm … Dann, beim zweiten Hinsehen fielen Segel auf, die von den Surfern in die Bretter gesteckt wurden. Stehsegler? Nein Windsurfer. Die ersten überhaupt.
Was zum Volkssport avancierte, hatte seine Ursprünge im Yacht-Club St. Peter-Ording. Festgehalten in der Fernsehserie »Gegen den Wind«, die St. Peter weltweit bekannt machte. Kurdirektor Gerlach hatte eben einst den richtigen Riecher …
Windsurfen war jedoch längst nicht alles. Mitte der Siebziger kamen darüber hinaus die ersten Catamarane nach St. Peter-Ording. Deren Anwesenheit erschien im Wattenmeer zunächst eigentümlich. Denn wie sollen die ihre Schwerter ins Wasser bekommen? Nun, sie haben keine. In den USA wurde nämlich ein Catamaran mit asymmetrischen Rümpfen konstruiert, der keine Schwerter mehr benötigt. Auf diese Weise lässt sich damit direkt auf die Sandbank fahren.
Die schwertlosen Hobie Cats fanden rasch Anhänger. Bald wurden auch Wettbewerbe ausgetragen: Erste Ranglistenregatten, wie sich später die offiziellen DSV-Regatten nennen. 1978 richtete der Yachtclub St. Peter-Ording schließlich auch die erste Europameisterschaft im Hobie Cat aus.
Seine Aufgabe, den Segelsport zu fördern, nimmt der YCSPO wie erwähnt sehr ernst. Der Yachtclub trägt seit den siebziger Jahren systematische Ausscheidungsregatten für die Europameisterschaften aus – nicht nur für Strandsegler, sondern auch für Hobie Cats. Allmählich wächst so die zweite und dritte Generation heran, die den Club international erfolgreich vertritt.
Neben den Europameisterschaften werden mehr und mehr internationale Regatten veranstaltet. Der Yachtclub organisiert unter anderem jährlich zu Pfingsten eine internationale Regatta, die »St. Peter International«. In manchen Jahren kommen bis zu fünfzig Teilnehmer, die hier in der Klasse 2 und 3 um die besten Plätze segeln. St. Peter International gehört so neben der Krabrally (De Panne – Belgien), Bleriot Cup (Le Touquet – Frankreich), Hoylake International (Hoylake – Großbritannien), Potjes Regatta (De Panne Belgien) und den sechs Stunden von Berck (Berck sur Mer – Frankreich) zur Eurocupserie der Federation Internationale de Sand- et Landyachting.
Bei aller Popularität, es fehlte irgendwann an Nachwuchs bei den Strandseglern. Also entschied der Vorstand 2006, dem YCSPO eine kommerzielle Segelschule anzugliedern. Sie wird geleitet von dem Clubmitglied Martin Kauffmann, der an der Ostsee bei Eckernförde eine Wassersegelschule betreibt. Mittlerweile sind an jedem Wochenende 15 bis zwanzig Kursteilnehmer vor Ort, um das Strandsegeln zu erlernen. Daneben nutzen Firmen die Schule, um ihren Mitarbeitern etwas Außergewöhnliches zu bieten, so dass auch innerhalb der Woche geschult wird.
Sieht man heute vom Strandweg kommend auf die Sandbank, herrscht dort ein reger Betrieb mit vielen bunten Segeln und Drachen. Ein Bild, das man eher beim Blick auf die Kieler oder Flensburger Förde erwarten würde …