Wer ist der Schnellste?
Auf diese einfache Formel kommt es auch beim Strandsegeln an. Da es sich um einen Segelsport handelt, spricht man von Regatten, auf denen die Teilnehmer um den besten Platz kämpfen. Es geht allerdings nicht nur um die höchste Geschwindigkeit, um zu gewinnen.
Nichts geht ohne perfekte Logistik
Um eine Regatta zu fahren, bedarf es natürlich einiger organisatorischer Vorbereitungen. Diese obliegen zunächst dem Sportwart. Er analysiert bereits im Herbst eines jeden Jahres den Gezeitenplan des folgenden Jahres, um Wochenenden zu finden, an denen idealerweise gegen zehn Uhr vormittags Niedrigwasser ist – wichtige Bedingung, um die Regatta starten zu können.
Bereits zu Beginn der ersten Rennen in St. Peter-Ording im Jahre 1961 wurde an Hand der Erfahrungen der Eissegler die notwendige personelle und materielle Logistik aufgebaut: Der Strand musste erkundet, der Platz für Start und Ziel festgelegt, die Wendemarken gesteckt, die Gefahrenzonen markiert und die Regattabahn gekennzeichnet und abgesperrt werden.
Zu all dem bedarf es damals wie heute eines erfahrenen Rennleiters, Assistenten, Zeitnehmern und einer Jury. Der Rennleiter ruft 15 Minuten vor dem Start alle Teilnehmer zusammen. Diese haben sich zuvor bei der Regattaleitung angemeldet, ihren Versicherungsnachweis und Pilotenschein vorgezeigt. Der Rennleiter erläutert bei dieser Einweisung, dem so genannten Briefing, den Regattakurs.
Festgelegt ist das genaue Vorgehen rund um eine Regatta im Regelwerk der FISLY in den so genannten RIRC (Reglement International de Roulage et de Course).
Auf die Startlinie …
Der Startplatz der ersten Wettfahrt wird ausgelost oder von der Rennleitung bestimmt. Insgesamt umfasst eine Regatta sechs Wettfahrten. In der zweiten bis fünften kann der Teilnehmer im Morel-Gitter (erfunden von dem französischen Europameister Michel Morel) seine weiteren Startplätze ablesen. So wechselt er von Rennen zu Rennen die Startlinie (es gibt drei Startlinien), wie auch seine linken und rechten Nachbarn sowie sein Vorder- und Hintermann wechseln.
Der Rennleiter erläutert zunächst die Startrichtung: diese ist immer gegen den Wind. Als nächstes sagt er an, in welcher Richtung die erste Wendemarke – die vom Start mindestens einen halben Kilometer entfernt liegt – zu durchfahren ist. Das kann entweder vom Meer zum Land oder vom Land zum Meer erfolgen und abhängig von Strand und Windverhältnissen eine Wende (der Segelwagen fährt in den/durch den Wind) oder eine Halse sein (der Segelwagen dreht mit dem Wind). Weiterhin weist der Rennleiter daraufhin, dass der Kurs gegen den Uhrzeigersinn gefahren werden muss. Nur so kommt es zu keinen Problemen beim Ausweichen nach Rechts.
Der Abstand zwischen der ersten zur nächsten Wendemarke muss dann mindestens zwei Kilometer betragen. Soweit es die Verhältnisse zulassen, kann auch noch ein dritter Wendepunkt vom Rennleiter gesetzt werden. Das gestaltet den Kurs anspruchsvoller, denn es gibt dann auch Teilstrecken auf denen gekreuzt (gegen den Wind) oder gehalst (»abrollen« vor dem Wind) werden muss.
Endlich geht es los: Der Rennleiter zeigt mit einer roten Flagge den Start an und zählt runter: drei Minuten, eine Minute, zehn Sekunden… Start! Der Rennleiter senkt die rote Flagge nach unten. So schnell sie können, schieben die Regattateilnehmer jetzt ihre Wagen an, springen hinein und suchen den besten Kurs. Nicht so einfach, denn wie eingangs erwähnt, zählt nicht nur Schnelligkeit. Eine Strandsegelregatta erfordert noch weit mehr …
Die Regatta läuft
Der Zieleinlauf ist zwischen der Zählung und der inneren Marke. Die innere Marke ist ein Teil der Wendemarke. Hier beginnt die so genannte orange Linie, die nicht überfahren werden darf. Am Ende dieser Linie befindet sich die eigentliche rot-weiße Wendeflagge.
Im Abstand von mindestens zwei Metern zu der orangen Linie befindet sich eine weitere Linie, die durch orange Flaggen gekennzeichnet wird. Der Segelwagen, der als erste in dieser orangen Zone ist, erhält die höchste Vorfahrt. Sie gewährleistet dem Fahrer, dass er die Wendemarke ungehindert und sicher, auch mit hoher Geschwindigkeit, umrunden kann. Zwischen diesem Segelwagen und der orangen Linie darf kein anderer Regattateilnehmer fahren und auch nicht überholen. Am besten wird außerhalb der orangen Flaggen überholt.
Eine Wettfahrt dauert gemäß Reglement 45 Minuten. In den meisten Fällen entscheidet sich der Rennleiter für das Minimum von dreißig Minuten, damit er in dem kleinen Zeitfenster, welches die Natur ihm gibt, möglichst viele Wettfahrten durchführen kann.
Die Zeitnehmer zählen während der Wettfahrt die Runden der Teilnehmer. Jede Wendemarke ist mit Zeitnehmern besetzt, damit keiner schummeln kann. Nachdem die durch den Rennleiter gesetzte Zeit, entweder dreißig oder 45 Minuten, abgelaufen ist, wird der führende Segelwagen mit der schwarz-weißen Zielflagge abgewinkt. Kommt der Teilnehmer nur wenige Sekunden vor Ablauf der Zeit an, muss er eine weitere Runde fahren. Damit kann sich die Wettfahrt erheblich verlängern. Das kann anstrengend werden, ist aber bei weitem nicht so schlimm wie der Anblick der gelben Flagge. Das ist ein ganz schlechtes Zeichen, denn damit signalisiert der Rennleiter, das aktuell laufende Rennen annulliert wird.
Ist der führende Segelwagen abgewinkt, werden auch alle übrigen Teilnehmer abgewinkt – unabhängig davon, wie viele Runden sie gefahren haben. Der erste bekommt dann null Punkte, der zweite zwei, der dritte drei und so weiter.
Werden mehr als drei Wettfahrten gefahren, so kann jeder Teilnehmer das schlechteste Ergebnis streichen. Der Schnellste und damit Sieger der Regatta ist dann der Teilnehmer mit den geringsten Punkten. Rechnerisch ist es damit möglich, dass ein Teilnehmer die gesamte Regatta gewinnt, obwohl er keine der einzelnen Wettfahrten gewonnen hat.
Nach jeder Wettfahrt ist zu überprüfen, ob noch alles in Ordnung ist: Luftdruck in den Reifen, Wanten gesichert, Lenkung, Achse und Räder klar? Und das Segel? Vielleicht sollte besser zum nächsten Rennen der Trimm verändert werden und wie wäre es mit einer anderen Maststellung? Fragen über Fragen – doch dann kann die nächste Wettfahrt kommen …
Geschicklichkeit und Konzentration sind gefragt
An einigen Stellen ist es schon angeklungen: Es genügt nicht nur, der Schnellste zu sein. Gerade bei einer Regatta auf einem Strand wie dem von St. Peter-Ording. Er hat eine gebogene Form, die Windrichtung wechselt im Verhältnis zur Fahrtrichtung und zudem ist er keine ebene Fläche: mehrere Sandbänke mit großen und kleinen Wasserdurchfahrten, mit Löchern und Prielkanten fordern den Piloten stete Aufmerksamkeit ab. Denn nur allzu schnell kann eine Wasserdurchfahrt zu tief oder der Sand zu weich sein …
Während der Wettfahrt müssen die Teilnehmer also bei weitem nicht nur auf ihre Konkurrenten achten und sie beispielsweise mit Kreuz- und Halskursen versuchen zu schlagen. Zugleich muss jeder Pilot immer dafür sorgen, das beste Terrain unter seinen Reifen zu haben, bei jeder Wende und Halse immer schnell wieder den Wind ins Segel zu bekommen und Entgegenkommenden ausreichend Platz zu lassen.
Da man eine elektronische Navigation an Bord eines Segelwagens bekanntlich vergebens sucht, bedarf es eines anderen Supports: Geschicklichkeit, Erfahrung und höchste Konzentration. Was sagt der Verklicker am Mast, was die Fäden im Segel? Dichter an den Wind, Geschwindigkeit aufnehmen, Strecke machen? Das ist der Dreiklang in einem Segelwagen – nach jeder Wende und nach jeder Halse muss die Situation neu bewertet werden. Denn möglicherweise ist es ja sinnvoll, sich vom Feld zu lösen und eine andere Sandbank zu wählen, da dort vielleicht weniger weicher Sand oder eine glattere Fläche ist.